2013 habe ich mein staatliches Examen an der Ifag-Berlin abgelegt – getragen von einem tiefen Wunsch: Etwas im Gesundheitswesen zu verändern. Damals war da noch Hoffnung. Eine Idee davon, dass Einsatz, Mitgefühl und Engagement ausreichen könnten, um Strukturen zu bewegen. Seitdem habe ich mich unermüdlich für meine Patienten, Kolleg*innen und Kollegenschaft eingesetzt. Ich habe geschrieben – an den Ethikrat, an das Bundesministerium für Gesundheit, an die Politik und Öffentlichkeit. Ich bin aufgestanden – auf Demonstrationen, in Gesprächen, vorm Arbeitsgericht, vorm Amtsgericht und bei jeder Gelegenheit.

Und doch fühlt es sich an, als würde ich seit Jahren gegen Mauern laufen.

Diese Mauern bestehen aus Gleichgültigkeit, aus Bürokratie, aus einer Gesellschaft, die nicht hinsehen will. Aus Zensur und Unterdrückung durch Filter, die einem die Reichweite nehmen. Gleichgültigkeit, die nicht sehen will, wie überlastet, wie allein, wie ausgelaugt Pflegekräfte sind. Wie hilflos Patienten werden, wie sehr sie leiden – in einem System, das längst nicht mehr für sie da ist und ihnen teilweise schadet.

2018 verlor ich meinen Vater frühzeitig. Nicht an eine unheilbare Krankheit, sondern an 21 dokumentierte Pflegefehler. Ich konnte sie fotografieren, belegen und mit der Patientenakte nachweisen – aber sie wurden nicht anerkannt. Die Ärztekammer sprach im Schlichtungsverfahren von einem „perfekten Verlauf“. Das war für mich nicht nur ein persönlicher Schlag, sondern ein stiller Beweis dafür, wie sehr sich dieses System selbst schützt – auf Kosten derer, die ihm ausgeliefert sind.

Dann kam Corona. Und danach? Noch weniger Personal. Noch mehr Druck. Noch weniger Zeit. Ich wurde trotz sehr guter Leistung aussortiert, vor das Gericht gezerrt, weil ich mich nicht gegen Corona impfen lassen habe. Und nun kommt im Gesundheitswesen eine Sprachbarriere dazu, die eine sichere Versorgung oft unmöglich macht. Ich bin Pflegedienstleiterin – mit Herz, mit Verstand, mit großer Verantwortung. Und doch bin ich an einem Punkt angekommen, an dem ich diese Verantwortung nicht mehr tragen kann, wo ich nicht mehr mitmachen kann.

Deshalb werde ich mich von der Pflege verabschieden.

Nicht, weil sie mir egal geworden ist – sondern weil sie mir immer noch alles bedeutet.Aber ich kann nicht Teil eines Systems bleiben, das nicht mehr schützt, was es verspricht zu schützen: Menschenleben. Würde. Vertrauen. Mit dem staatlichen Examen legen Pflegefachkräfte auch einen ICN-Ethikkodex ab.

Ich gehe – aber meine Stimme bleibt wird bleiben.

Für meinen Vater. Für meine Kolleg*innen. Für meine Patienten. Für alle, die glauben, dass es anders sein muss – und anders sein kann.

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