Das Pflegebett ist endlich da. Ich kann es kaum erwarten, Papa davon zu berichten und Papachen ein Bild zu zeigen. Papa, bald bist du endlich wieder zu Hause.

Wir haben uns alle gefreut und konnten es kaum erwarten, Papa endlich nach Hause zu holen. Er hat sich auch unheimlich gefreut. Was war das für eine harte Zeit. Schlaflose Nächte, diese Ängste und Trauer. Am Anfang haben mein Bruder und ich, Papa immer aus dem Bett getragen. Das war gar nicht einfach. Vom Bett in den Rollstuhl und wieder zurück. Ich war in all den schlimmen Momenten meistens bei ihm, wie zum Beispiel als die Beine das erste Mal versagten und mein Vater wie ein krankes Tier am Waschbecken hing und beinahe stürzte, hätte ich ihn nicht aufgefangen. Einige Male war meine Schwester auch mit dabei oder Mama und mein Bruder. Diese Bilder werden uns vermutlich noch lange begleiten.

Ich hätte gerne viel mehr mit meinem Vater gesprochen, doch ich konnte nur die für die Situation entsprechend wichtigsten Dinge zu ihm sagen. Papa sagte auch Dinge wie, wäre ich bloß in ein anderes Krankenhaus gefahren oder ich dachte für alle ist es so, vom Weg her, am Besten oder warum immer wir? Mein Herz zerbrach jedes Mal in tausende Teile. Schon der Anblick meines Vaters brachte meine Seele zum schreien und weinen. Ich schluckte all meine Trauer runter die mir jedes Mal die Kehle zuschnürte, manchmal sind Minuten vergangen, bis ich überhaupt ein Wort raus gebracht habe, um nicht heulend zusammen zu brechen.

Ich sagte mir dann immer Dinge wie, ich muss stark bleiben, für Papa. Ich kann ihm das nicht antun und jetzt vor ihm weinen. Ich sagte immer zu ihm, es ist heutzutage egal in welches Krankenhaus, Papa. Du hast so viel gutes erlebt, deine Firma, drei wundervolle Kinder, eine wundervolle Frau, so viele wundervolle Freunde. Papa sei stolz auf dich, auf uns. Du hast alles erreicht, Dinge von den manch einer träumt. 
Wenn du hier raus bist, dann können wir alles wieder machen. Mit dem Rollstuhl kann man auch verreisen.

Papa hat oft gar nichts dazu gesagt, sondern verschwand dann auch in seinen Gedanken. Ich merkte ihm aber immer seinen starken Willen an, zu kämpfen und dass ich es immer wieder geschafft habe (mit Hilfe von allen Angehörigen) ihn zu motivieren.

Die Bewegung der Beine wurde weiterhin stetig besser. Papa konnte schon einige Übung alleine machen und erzählte es mir mit strahlenden und stolzen Augen. Ich war auch stolz, auf uns beide, auf uns alle. Wir haben so gekämpft und das mit vollem Erfolg. Er konnte im Liegen wieder die Füße richtig stark, nach links und rechts und oben und unten bewegen und er präsentierte das oft stolz seinen Kumpels. Auch das Knie konnte er wieder anspannen. Wenn ich die Beine aufgestellt habe, konnte er auch in dieser Position, die Beine bewegen. Papa tat nichts lieber als das.

Egal wie kaputt ich war, ich sah wie gut ihm das tat und ich weiß wenn ich es nicht täte, wird es niemand tun. Da wird keiner kommen und ihm die Beine aufstellen, ihn lagern oder die Beine bewegen, weil sie ihm weh tun und sie ihm einschlafen…..

Ich sank in meine Traumwelt ab. Fernab von Papa, war ich oft nicht mehr anwesend, sondern hielt mich an all meinen schönen Erinnerungen fest und bastelte mir neue Träume daraus. Ich ging nicht mehr raus, wenn dann nur in den Wald auf wegen, wo ich niemanden getroffen habe, sprach mit niemanden mehr und dachte eh ich bin verrückt. Ich dachte mein Leben ist nicht echt. 98% der Leute denen ich begegne meinen ich sei aggressiv oder verrückt, weil ich liebe und weil meine Liebe nicht nur für Menschen, sondern auch für die Tiere und die Natur reicht und ich mich leidenschaftlich gerne für alles einsetze, um es zu schützen. Was ich liebe, möchte ich beschützen. 

Wenn ich was tat, dann hab ich geschrieben. Im Internet hab ich mir meine eigene Welt erschaffen, Kontakte mit Menschen geknüpft, die mich nicht für irre oder aggressiv hielten, sondern auch so lebten wie ich und auch diese Gefühle haben. Ich merkte ich bin nicht allein und ich danke all diesen Menschen von ganzem Herzen und ganz besonders einem Menschen, der mich tatsächlich davor bewahrt hat, dass ich an mir zweifle. Viele von ihnen sind mir sehr ans Herz gewachsen. Wenn ich hätte reden müssen, wäre ich zusammen gebrochen, hätte nicht mehr die Kraft gehabt zu funktionieren, deshalb entschied ich mich für das Schreiben. Auf Facebook postete ich oft wütend meine Vermutungen und diese traten immer ein, auch das hat mich davor bewahrt nicht durch zu drehen.

Wie sollte es auch anders kommen, als dass sich plötzlich wieder alles ändert.
Um ehrlich zu sein, fand ich, die Lunge hörte sich die ganze Zeit nicht gut an und wir alle haben es den Ärzten immer wieder gesagt, doch eine Sputum-Kontrolle fand nie statt. Es war morgens und der eine Chirurg war bei Papa und hat die nicht heilende Narbe versorgt. Ich wies mal wieder auf den Urin hin, der wieder dunkler wurde und flockig war. Doch scheinbar ist auch da wieder nichts passiert, denn eine weitere Untersuchung zwecks Keimen fand nicht statt.

Papa bekam wieder Fieber und Ödeme.  Ich begann wieder um sein Leben zu kämpfen. Besorgte Crash-Eis und begann wieder abwechselnd mit Wadenwickel und massieren. Diesmal ging der Kampf länger, bis es Papa wieder besser ging. Ich machte das 2 oder 3 Tage lang und Gott sei dank, endlich ging es Papa wieder besser. Die Ärzte verabreichten wieder ohne Erklärung, antibiotische Infusionen. Bitte nicht jetzt, wo das Bett endlich da ist und die Reha zugesagt hat. Die Temperatur war wieder im Norm-Bereich und die Ödeme waren Gott sei dank wieder weg.

Papa äußerte aber weiterhin immer diese Luftnot und sprach das auch immer wieder an. Auch ich sagte das, denn ich merkte, dass Papa immer kurzatmiger wurde. Außer Inhalation passierte von Seiten der Ärzte nicht viel. Keine Erklärung für diese Atemnot.

Es war Donnerstag gegen 20 Uhr als ich Papa völlig fertig Tschüss sagte, ihm einen Kuss gab und ihm sagte, dass ich morgen, wie immer, wieder da bin. Papa meinte zu mir, er weiß nicht, wie er das je wieder gut machen soll. Ich meinte nur, dass braucht er nicht wieder gut machen. Ich tue das sehr gerne. Wegen dieser Atemnot weiß ich noch wie mein Gewissen mich plagte, Papi jetzt alleine zu lassen. Ich will doch bei ihm sein, aber ich kann nicht mehr, ich muss mich irgendwie ausruhen. Papa hat gesagt es ist ok, wenn ich fahre und er war überaus glücklich, denn heute hat er es das erste Mal wieder geschafft seine Beine nach vorne zu bewegen. Hoffentlich hat er es nicht einfach so gesagt, dass es ok ist, wenn ich gehe. Ich würde auch nicht alleine sein wollen.

So fuhr ich dann Heim und versuchte mich in meiner Traumwelt aufzuhalten, in schönen Erinnerungen und etwas Schlaf zu finden. Irgendwann schlief ich an diesem Abend auch ein. Morgen ist wieder ein neuer Tag.

Es war morgens, ich war noch gar nicht lange wach, als schon mein Telefon klingelte. Oh nein, das Krankenhaus. Ich möchte nicht abheben und ging ans Telefon.
Der Stations-Arzt vom Krankenhaus. ,, Ihr Vater liegt auf der ITS, er musste gestern kurzfristig künstlich beatmet werden. Er ist wieder ansprechbar, warum, wieso, weshalb wissen wir nicht. Er ist ansprechbar, stabil und kommt bald wieder auf die Station.“

Ich zog mich an und fuhr sofort ins Krankenhaus und machte mich sofort auf den Weg zur ITS. Auf dem Weg informierte ich meine Familie, die von all dem noch gar nichts weiß. Ich bin wütend, dass man mich nicht sofort informiert hat, aber lasse diese Wut in mir, denn es gibt jetzt wichtigere Dinge.

Ich musste eine Weile warten, bis man mich zu meinen Vater gelassen hat. Papa war erleichtert als er mich sah. Er meinte immer wieder, wie lange er denn bewusstlos war, welcher Tag denn heute ist, ist endlich Freitag? Ja Papa, heute ist Freitag und du warst nur die Nacht hier. Der Arzt meinte du kommst wieder auf die Station. Innerlich wusste ich irgendwas stimmt nicht, er wird sterben, doch auch mit all meinem Wissen wollte ich es nicht wahr haben und so lange mir keiner sagt, er stirbt, werde ich kämpfen!!!

Papa und ich haben leider meistens recht. Mama meinte den einen Tag. Oh nein, dein Vater hat gesagt er wird sterben und kommt hier nicht mehr raus, er hat immer recht. Zu mir hat er das auch gesagt. 

Fortsetzung folgt.
Ende Teil 8.

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