Innerlich wusste ich, dass er sterben wird, doch trotz all meinem Fachwissen wollte ich es nicht wahr haben und so lange mir keiner sagt, dass er stirbt, werde ich weiter kämpfen!!!!

Ich hielt die Hand meines Vaters, mein Kopf liegend auf dem Bett. Meine Gedanken kreisten, haben wir jetzt wirklich verloren Papa, bitte nicht. Jetzt liegst du hier und stirbst. Papa ich will dich nicht verlieren. Es ist noch viel zu früh.

Der leitende Arzt der ITS kommt ins Zimmer, stellte sich vor und erkundigte sich pampig ob ich die Tochter bin, die Schwester ist. Ich bestätige seine Vermutung, woraufhin er mir erklärte, dass Papa Atemnot hatte, bewusstlos war und er wieder stabilisiert ist. Angeblich gehen die Entzündungswerte, der Pneumonie zurück. Ich erkundigte mich, ob denn nun mal ein Abstrich des Sputums gemacht wurde. Der Arzt schaute mich an als hätte er eine außerirdische gesehen und äußerte hysterisch, dass er dafür keine Notwendigkeit sieht. Ich meinte dann wieder zu ihm, dass er mir doch selber gerade erklärt hat, dass mein Vater eine Pneumonie hat und ich finde schon, dass das Grund genug für eine ,,Notwendigkeit“ ist. Plötzlich ,,hatte“ mein Vater eine Pneumonie und der Arzt verschwand.

Mama meinte, dass sie sofort kommt, nach dem ich mit ihr gesprochen hatte und sie über die aktuelle Situation informiert hatte. Ich sagte zu Papa, wenn der Betttransport kommt, dann gehe ich draußen entlang. Falls Mama kommt, damit sie uns nicht verpasst und wir kommen dann danach sofort zu ihm, ins Zimmer. Als ich draußen war, rief ich bei meinem Hausarzt an. Ich habe die Praxis völlig verzweifelt um Hilfe gebeten, doch diese erklärten mir nur, sie können und dürfen nicht einfach Abstriche von jemanden machen. Sie gaben mir dann die Nummer eines Labors, an dieses sollte ich mich wenden und mal fragen, ob sie mir weiterhelfen können. Während des Telefonats stieß ich auf Mama und wir vereinbarten erst Mal zu Papa zu gehen, denn ich hatte kein gutes Gefühl und wollte ihn keine Sekunde alleine lassen. So stiefelten wir wieder ins Hochhaus zur Station.

Bei Papa im Zimmer schien alles recht normal, er erklärte uns was gestern gewesen ist, bevor er in Ohnmacht fiel und dass er das alles nicht versteht. Es klopft an der Zimmertür und der Arzt kommt rein und erklärt uns, da die Werte besser sind halten wir uns wieder an die Reha (geplant für Dienstag) . Anschließend kam der Chirurg ins Zimmer. Das war dieser einfühlsame Arzt von letztens.  Oh Gott, bin ich froh diese Augen zu sehen. Ohne zu zögern flehte ich nun den Arzt an, bitte helfen Sie uns. Keiner untersucht mein Vater auf Keime. Ich habe eine 5 jährige Nichte, sie weint ständig weil sie zu ihrem Opi will, es ist doch ihr einziger Opa. Bitte, es ist mein Vater und ich möchte verstehen was hier passiert, wir bezahlen auch alle Abstriche selber, bitte. Der Arzt stotterte und sah mich ganz traurig an, natürlich helfe ich Ihnen. Und nein, sie bezahlen hier bestimmt keine Abstriche, das kostet nicht viel, das ist auch nicht das Problem, ich werde mich sofort drum kümmern und verlies dann den Raum.
Na endlich, endlich wird jemand was tun.

Kurze Zeit später kam der leitende Stationsarzt und der Stationsarzt ins Zimmer. Ich stehe an der linken Seite von Papa seinem Bett, Mama sitzt im Stuhl, der Stationsarzt steht an der Wand vom fußende des Bettes und der leitende Arzt steht rechts neben Papa. Sie tun plötzlich so, als wäre es selbstverständlich, dass sie Abstriche machen, erklären mir, dass sie Sputum aus der tieferen Region brauchen. Sie gaben mir Röhrchen. Nun diskutierten wir erneut über die Antibiotika-Therapie, ich sagte warum mein Vater Reserve-Antibiotikum verabreicht bekommt? Der Kopf des Stationsarztes sank zu Boden. Der leitende Arzt äußerte irgendwas. Ich wusste wieder sie lügen von vorne bis hinten und wissen gar nichts.

Kaum schlossen sie ihre dämliche Infusion an und Mama war nach dem Gespräch wieder auf dem Weg in die Firma, geriet mein Vater in völlige Panik. ,,Ich kriege keine Luft, Hilfe. Hilfe, ich kriege keine Luft.“ ich drückte die Klingel.
,,Papa, ich bin bei dir, ganz ruhig atmen.  Schau mich an Papa, ganz ruhig, Ich bin bei dir und lass dich nicht alleine. Denk an was schönes. Die Reisen, das Surfen, dein Motorrad. Sieh mich an Papa.“

Der Pfleger kam ins Zimmer und holte sofort Sauerstoffmaske und Sauerstoffsättigungsgerät. Das Gerät zeigt 97% an. Papa beruhigte sich etwas. Oh Gott, bitte nicht, meine Beine sind weich, ich will am liebsten Weg rennen, ganz weit weg. Bitte nicht, ich will das alles nicht. 

Plötzlich ging es wieder los. ,,Hilfe, ich kriege keine Luft, Hilf mir.“ ,,Papa, bitte schau mich an, atme langsamer und tief, dass ist nur ein Empfinden, Panik.“ Der Pfleger kam wieder rein, öffnete das Fenster, denn diese waren abgeschlossen. Heute ist mir auch klar warum, wäre ich da Patient wäre ich auch lieber gesprungen. Papa beruhigte sich wieder etwas. Der Pfleger meinte, das ist subjektiv und kommt von der Psyche, eine Panikattacke.

Kaum war er wieder draußen, bekam Papa wieder eine Panikattacke. Ich habe mein aller Bestes gegeben, um ihn zu beruhigen. Ich erzählte irgendwas, wusste nicht mehr was ich noch tun soll. Meine Gedanken schrien verzweifelt:,,Papaaa, bitte nicht.“ Gesagt habe ich Dinge wie: ,,Denk, an die Reisen Papa, denk an uns, sieh mich an.“

Ich hab es nicht mehr geschafft ihn zu beruhigen. Ich bat den Pfleger es zu versuchen, vielleicht klappt es bei ihm besser. Ich merkte nach kurzer Zeit, dass wird nichts. Er wird sich nicht beruhigen und bat den Pfleger drum, dass wir weitere Schritte einleiten müssen. Er Verlies den Raum und holte den Arzt. Der kam auch sofort und spritze Papa Morphium, zur Beruhigung und Papa schlief ein.

Er erklärte mir, dass die Entzündungswerte besser wurden und sie deshalb die Infusion weiterhin geben. Es kommt jetzt drauf an, ob er das schafft. Abends stellte ich fest, dass die Niere nicht mehr arbeitet. Ich informierte meine Familie und Freunde und viele kamen, um von Papa Abschied zu nehmen. Meine Mutter, meine Geschwister und ich, haben Papa nochmal alle gemeinsam wach erlebt. Er wurde plötzlich wach und fragte ob hier ein Bus angehalten hat. Wir haben alle gemeinsam gelacht und Papa viel wieder ins Koma. Als andere von Papa Abschied genommen haben, lag ich nur im Bett und weinte ganz bitterlich, bis zur völligen Erschöpfung und in voller Angst wieder zu ihm zu fahren. Ihn los zu lassen, nicht zu wissen was mich erwartet, wenn ich bei ihm bin. Abends gegen 21 Uhr entschied ich mich, mit meinem Schlafsack auf den Weg zu Papa zu machen. Der Arzt, den ich zum ersten Mal sah, nahm mich an die Seite. Wie lange haben sie denn nichts mehr gegessen und nicht mehr geschlafen? Ich wusste keine Antwort. Er meinte Papa braucht mich die nächsten Tage, ich soll heim fahren und mich ausruhen, er wird die Tage sterben. Ich meinte, dass ich drüber nachdenken kann aber selber entscheide was ich tun werde. Ich ging in Papa sein Zimmer und kuschelte mich zu ihm ins Bett.

Ich rede laut zu meinem Vater:,,Ach Papachen, jetzt liegen wir hier Arm in Arm und hören Klassik-Musik.“Der Song “Kiss the rain” lief über mein Handy. ,,Ich will dich nicht verlieren, jetzt haben sie es echt geschafft, aber weißt du was Papa. Wer zuletzt lacht, der lacht immer am Besten und am Ende werden wir doch gewinnen. Mach dir keine Sorgen um mich, ich komme klar und glaube auch, dass ich bald wieder richtig glücklich bin.“ nach einiger Zeit entschied ich mich, diese Nacht Kraft zu tanken und heim zu fahren. Die Schwester im Nachtdienst war völlig fertig und weinte fast als sie zu mir sprach.

Ich hatte so eine Angst wieder auf Papa zu treffen, ihn da so liegen zu sehen, ich wollte nicht alleine zu ihm. Also bat Mama sich mir an, mich abzuholen und wir fuhren gemeinsam zu Papa. Ich hab immer noch gebetet, obwohl ich wusste das es völlig sinnlos ist.

Kaum waren wir bei ihm, wollte ich ihm die Beine eincremen. Ich wusste er hat immer darauf gewartet und es sehnlichst erwartet. Ich zog die Decke weg und sah dieses Blut, ich klingelte und fing an meinen bewusstlosen sedierten Vater zu säubern, als zwei Pfleger rein kamen und die Schwester meinte, dass sie mir hilft. Wir haben Papa zu ihr auf die Seite gedreht, während mir gleichzeitig, all das Blut von Papa, entgegen kam. Ich sah im Augenwinkel wie Mama in den Stuhl sank. Jetzt wurden meine Beine ganz weich und wir wechselten die Unterlagen, während ich fragte, ob es das erste mal ist? Der Pfleger äußerte nein, ein wenig war heute morgen schon. Wir drehten Papa wieder auf den Rücken. Oh nein, plötzlich wurde Papa wach und ich und die Pflegerin bejubelten: wuhuu Papachen, jetzt geht es auf ins Paradies, die Schwester machte einfach mit mir mit und sagte das Paradies wartet, Herr Hentschel. Er verlor wieder das Bewusstsein und ich brach zusammen und bat den Pfleger nun zu übernehmen. Nun ist es so und offiziell, Papa stirbt.

Im Krankenhaus gaben Sie uns ein größeres Zimmer, damit wir als Familie besser Abschied nehmen können. Das geschah genau danach,  nachdem die Leber versagte und mir all das Blut entgegen kam. Ich war noch im Schock gefangen und realisierte erst später, dass sie einfach ein Zimmer-Tausch durch geführt haben, ohne dieses zu reinigen. Mein Vater hat doch Keime! Die arme alte Frau wird bestimmt die nächste mit einer Infektion sein. Nach dem Wechsel des Zimmers, kam ein Pfleger mit Infusionen an und wollte Papa diese anschließen. Ich hab es verhindert.

Papa haben wir als Familie bis zu seinem Tod nicht mehr alleine gelassen. Haben Musik und Bilder zu ihm gebracht und waren die ganze Zeit bei ihm, haben uns zu ihm ins Bett gesetzt oder gelegt, die Hand gehalten oder mit ihm gesprochen. 4Tage hat der Todeskampf gedauert, an dem letzten Tag dachte ich, ich werde keinen weiteren Tag mehr überleben. Mama bat den Arzt morgens mir ne Infusion zu geben, doch ich lehnte dankend ab. Mir doch egal, wenn ich zusammen breche. Schlafen gehe ich erst, wenn Papa schläft. Zu dem Zeitpunkt war ich mehrere Tage wach.

Bis zu dem Todeszeitpunkt, sprach ich immer wieder mit dem Arzt. Der hat mich auch davon abgehalten den Knopf zu drücken, um Sterbehilfe zu leisten. Indem er äußerte was ist, wenn Papa doch noch was beschäftigt und er so lange braucht, um dies für sich zu klären. Wir sprachen mehrmals und er bat mich immer anschließend spazieren zu gehen und über unser Gespräch nachzudenken. Mit diesem einen Satz hat er mich bekommen und ich habe den Knopf nicht gedrückt. Papa verstarb am Montag den 01.06.2018 um 18:02 Uhr. Um 18 Uhr hat Papa immer Feierabend gemacht und nun gemeinsam mit seinem Sohn, die Firma pünktlich abgeschlossen und den Schlüssel meinem Bruder übergeben, der nun die Firma, die Papa 1982 gegründet hat – in diesem Jahr wurde mein Bruder geboren – in Ehren und mit Stolz weiterführt.

Ende

4 thoughts on “Teil 9: Lebendig durch die Hölle, weil Pflegekräfte und Ärzte keine Zeit mehr für Menschlichkeit haben

  1. Hallo liebe Tammy,
    ich bin via Instagram auf deinen bewegenden Blog gestoßen. Ich habe gerade ganz weiche Knie nachdem ich deine Worte gelesen habe. Bin tief bewegt. Ich finde es so unfassbar toll wie du deinen Daddy beivestanden hast. Trotz aller Widrigkeiten und Hindernisse. Ich schlucke immer noch. Ich denke dein Daddy schaut von oben zu dir hinunter und passt auf dich auf. Ein Engel nur für dich und deine Familie…
    Ich wünsche dir alles Liebe und Gute.
    Ganz liebe Grüße aus Köln…
    MARCO

    1. Vielen lieben Dank für deine netten Worte und dein Mitempfinden. Vielen Dank. Wünsche dir eine tolle Herbstzeit. Liebe Grüße aus Berlin und alles gute

  2. Namasté Liebe und wundervolle Seele namens Tammy,

    wir sind schon einige Zeit über FB befreundet.
    Heute habe ich mal Zeit gefunden, deinen wunderbaren und mit LIEBE erfüllten Blog zu lesen und dein niedergeschriebenes Leben zu verfolgen und zu verinnerlichen..
    Mein aufrichtiges und herzlichstes Beileid zudem Verlust deines Papa’s.

    Ich habe gerade eben Krokodilstränen weinen müssen bei diesem Beitrag, wie du deinen Papa bis zum Ende begleitet hast. Dies hat mich an meine Schicksalsschläge erinnert und wider in mein Bewusstsein geholt.
    Wir zwei sind uns sehr ähnlich, in vielen Bereichen.

    Ich war bis vor 6 Jahren selbstständiger Imker und liebe auch die Natur, Tiere und Pflanzen.
    Seitdem pflege ich mit meiner Familie meine schwer an Demenz erkrankte Oma zu Hause, da sie nie ins Heim wollte und zu Hause sterben möchte.
    Desweiteren verlor und starb urplötzlich und unverhofft mein Papa wo ich gerade mal 12 Jahre alt war. Und vor drei Jahren verstarb mein Opa an Lungenkrebs auch im Krankenhaus.

    Und ich werde meine Oma bis zum Ende ihres Lebensweg begleiten, sie pflegen und Ihr all die Liebe entgegen bringen, die sie brauch um Ihr den Weg ins Paradies so schön, erleichternd, würde und liebevoll zu ermöglichen und zu gestalten.

    Ich danke dir für dein SEIN und bist eine absolut reine und liebenswürdige Frau. Es ist schön das es solch Seelen noch gibt, denn wir machen die Welt um uns herum schöner und liebenswerter.

    Herzliche Grüße aus Cottbus, sendet dir Daniel

    1. Vielen lieben Dank für deine Worte. Das tut mir sehr leid, dass du auch so einen harten Weg hast. Ich wünsche euch ganz viel Kraft diese schwere Zeit so gut es geht zu genießen und du kannst mich jederzeit kontaktieren. Liebe Grüße Tammy und finde ich super klasse, dass ihr euch so kümmert. Weiter so ???

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